Diesen Beitrag widme ich “Tante Ria”, welche mit Freude meinem Blog folgte und nun, im hohen Alter von 95 Jahren, ihre letzte Reise angetreten hat.
Die Zeit in Guatemala war zu Ende. Ich hätte zwar gerne noch den Rio Dulce im Nordosten gesehen, aber meine Routenplanung und die Nähe zu El Salvador sprachen dagegen.
Von Monterico fuhr ich an die, nur 70 Kilometer entfernte, Grenze zu El Salvador. Es stand eine bekannte Prozedur bevor. Fahrzeugnummer abgleichen lassen, Kopien anfertigen und abgeben, einen geringen Ausreisebetrag zahlen, Dokumente durchsehen und das Motorrad begutachten lassen, Fragen über den Inhalt des Gepäcks beantworten.
Da Sonntag und Tag der Unabhängigkeit war, waren die Schalter in El Salvador unterbesetzt und dementspreched lang war die Wartezeit. Einige LKW Fahrer warteten schon einen ganzen Tag. Wie gut, als Tourist unterwegs zu sein, denn so konnte ich nach etwa drei Stunden meine Fahrt fortsetzen. Was so lange auf sich warten ließ, war ein spezielles Dokument mit allen Fahrzeugdaten, was mir dann in zehn Minuten ausgestellt wurde. (In El Salvador besteht keine Versicherungspflicht und an der Grenze gibt es keine Möglichkeit eine abzuschließen.)
Mein erstes Ziel war der Nationalpark El Imposible, kurz hinter der Grenze. Da ich relativ spät aus Monterico losfuhr, kam ich bei Regen und einbrechender Dunkelheit an der Kreuzung zum Nationalpark an. Von da an waren weitere zehn Kilometer zu bewältigen. Wieder zehn Kilometer in die Berge, wieder mit nassen, rutschigen Steinen aber diesmal ließ ich mich davon nicht beeindrucken. Allerdings war die Strecke auch nicht mit dem Weg nach Semuc Champey, in Guatemala zu vergleichen .
Der Nationalpark liegt im tropischen Regenwald, beherbergt unzählige Vogelarten und ist Teil des UNESCO Weltkulturerbe.
Am folgenden Tag bekam ich auf einer geführten, neun Kilometer langen Wanderung allerdings so gut wie keinen Vogel zu sehen und der Rückweg wurde im strömenden Regen und dichtem Nebel zurückgelegt. Wie gut, dass ich meine Regenjacke im Hotel gelassen hatte. So kamen zu meinen eh schon klammen Motorradklamotten noch ein paar weitere durchnässte Sachen hinzu.
Das tropische Klima gibt der Lufttrocknung keine Chance und so ging es, in klammer Montour via der “Routa de las Flores” und den See Coatepeque, in die Hauptstadt nach San Salvador.
In meinen Augen, ein Moloch von einer Großstadt. Verdreckt, laut, viel Verkehr mit extrem umweltunfreundlichen Autos und Bussen und was die Informationen der Reiseführer, als auch die meines Hostals angeht, relativ gefährlich. Vor fast jedem auch noch so kleinen Geschäft steht ein Wachmann mit ner Pumpgun in der Hand.
Trotz der negativen Aspekte gibt es einige sehenswerte Märkte, Gebäude und Plätze. Die Stadt scheint im Wandel zu sein, auch wenn sie noch einen langen Weg vor sich hat. Wenn man in dem Zusammenhang die Geschichte des Landes betrachtet und den bis 1992 andauernden Bürgerkrieg, mit Massakern und unzähligen Toten auf beiden Seiten, ist es beeindruckend zu sehen, zu welcher Normalität es dieses Land geschafft hat.
Ein ganzer Tag hat mir in San Salvador gereicht und so fuhr ich, nachdem ich mich noch mit einem freundlichen Polizisten auseinander setzen musste (siehe Video), erneut an die pazifische Küste, nach el Cuco.
Wieder wurde ich von der Ruhe der Nebensaison überrascht, wieder war ich der einzige Gast im Hotel, konnte so aber mein Zelt im Garten aufschlagen. Allerdings wurde die Region abends von einem heftigen Gewitter heimgesucht, so dass mein Zelt schwimmen lernte. Es ist eben nicht die optimale Jahreszeit zum zelten.
Da der Strand von el Cuco leider wie überall in dem Land, viel Müll zu bieten hatte und es extrem teuer war, fuhr ich am nächsten Tag weiter.
Es ging in das, in den Bergen von Morazán gelegene, ehemalige Zentrum der Guerillas, nach Perquin. Hier war die Kommandozentrale der FMLN (Farabundo Martí National Liberation Front) und wichtigster Ort der Rebellen um den Kampf gegen das, (natürlich) von den USA unterstütze Militär, zu organisieren.
Ich besuchte das Museo de la Revolution und ein ehemaliger Guerillero erklärte mir den damaligen Sachverhalt. Allerdings sprach er so schnell und undeutlich, wie viele Salvadorianer, dass es schwer war seinen Erklärungen zu folgen.
Es ist immer wieder erstaunlich wie Rebellengruppen den Militärs trotz Unterzahl, schlechterer Ausrüstung und heftigen Bombardements, paroli bieten können.
Heutzutage ist die FMLN mit einer eigenen Partei in der Regierung vertreten und diese Maßnahme führte auch zum Ende des gewaltsamen Konfliktes.
Am folgenen Tag fuhr ich meine schönste und angenehmste Etappe in El Salvador, von Perquin nach Suchitoto. 280 Kilometer auf teilweise perfekter, breiter Strasse durch die Berge von Morazán und Cuscatlán. Ein Traum zum Motorradfahren mit unglaublichen Aussichten und unzähligen Kurven. Auch die sonst so nervigen Topes hielten sich in Grenzen.
Suchitoto ist ein gemütliches, idyllisches Örtchen bekannt für sein Kunsthandwerk, zudem war es mit einer der ersten Orte, die in den bewaffneten Konflikt im Bürgerkrieg involviert waren. Mittlerweile ist es hier ruhig geworden und auch am Wochenende hält sich das Nachtleben in Grenzen. Die Umgebung überzeugt allerdings mit ihrer Schönheit, wie dem See Suchitlán und einigen Wasserfällen.
Das kleine Bergdorf la Palma sollte meine letzte Station in El Salvador werden. Mit einer Fähre überquerte ich den See und folgte anschließend der Strasse durch die Berge nach La Palma. Eine gleichfalls traumhafte Strecke zum Motorradfahren.
In El Salvador gibt es sicher noch viele sehenswerte Orte aber ich habe letzte Woche meine Überfahrt auf dem deutschen Segelfrachtschiff “Stahlratte”, von Panama nach Cartagena für den 25. Oktober gebucht und bis dahin warten vier weitere Länder darauf erkundet zu werden. Auf nach Honduras…
Fazit El Salvador:
- Reisedauer: 9 Tage
- gefahrene Kilometer: 955
- Durchschnittsgeschwindigkeit: 55,3
- Durchschnittsverbrauch: 5,5l
- Höchstgeschwindigkeit: 148 km/h
- Roadkills:
gesehen: 5 Hunde & 2 Opossums
verursacht: 0x - Polizeikontrollen: 2x mit Dokumentenvorlage
- Strafzettel entgangen: 1x
- in Schlagloch gebrettert: 1x
- beste Strecke: Perquin über Ciudad Barrios nach Suchitoto
- schönster Ort: Suchitoto
- häufigstes Essen: Pupusas
El Salvador ist noch nicht ganz so touristisch wie andere Länder Zentralamerikas. Surfer finden hier mit Sicherheit die richtige Welle, Naturliebhaber eine artenreiche Flora und Fauna und Motorradfahrer Staub, Schmutz, Schlamm, klamme Klamotten, wunderbare Bergstrassen, traumhafte Aussichten und ausreichend Tankstellen.
Der Nachteil des Landes ist das offensichtliche Müllproblem, was mit fehlender Aufklärung einhergeht und die Kriminalität.
Wenn man hinter einem Bus herfährt gilt es so schnell wie möglich zu überholen, denn ansonsten verkürzt man, aufgrund des pechschwarzen Ruß, seine Lebenszeit um Jahrzehnte.
Die Strassen sind in deutlich besserem Zustand als in Guatemala aber auch hier muss man sich vor tiefen Schlaglöchern hüten.
Die Menschen sind trotz der gewalttätigen Vergangenheit freundlich und aufgeschlossen. Allerdings sind neben einigen zwielichten Gestalten auch die zwei größten Gangs in Zentralamerika vertreten, wobei man mit letzteren eher nicht in Kontakt kommt. Ich traf einen Jungen, mit dem ich mein Motorrad putzte und ihm hatte man kürzlich Tatoos aus dem Arm gebrannt oder geschnitten. Sah nicht schön aus, war aber effektiv.
Man sollte nachts nicht auf den Strassen unterwegs sein und in den Städten immer ein Taxi nehmen. Sogar in den kleinsten Dörfern ist man bei Dunkelheit anscheinend nicht vor Überfällen sicher. Zum Glück blieben mir solche Erfahrungen erspart.
Das Land ist im Wandel und die Zukunft wird zeigen wohin der Weg geht.