Nach der herausragenden Überfahrt von Panama nach Cartagena, Kolumbien, stand wieder als erstes ein Besuch bei der Einreisebehörde auf dem Programm.
Ludwig, unser Kapitän, hatte im Voraus einen Agenten aktiviert, um Einreise und Motorradimport zu vereinfachen. Aber auch mit Hilfe des Agenten gab es kleinere zeitraubende Probleme. Ein Vorteil war, dass unsere Dokumente im Voraus eingereicht wurden und die gesamte Gruppe bei der Einreisebehörde nur zur Gesichtskontrolle vortreten musste. Nach bestandenem Check ging es wieder an Bord, um die Motorräder abzuladen. Da unsere Motorräder zu diesem Zeitpunkt illegal in Kolumbien waren, mussten wir sie bei der nahe gelegenen Zollbehörde unterzustellen.
Das Abladen der Motorräder auf ein kleines Ponton war, wie die Fahrt auf diesem, eine spannende Angelegenheit. Nachdem das geschafft war, packten wir das Nötigste für eine Nacht und checkten in einem Hostal in der Altstadt ein.
Wir hatten gehofft, die Motorräder am selben Tag zu bekommen aber die Bearbeitung der 17 Motorräder nahm mehr Zeit in Anspruch.
Am nächsten Morgen war es soweit. Um zum Zoll zu kommen, teilten wir uns zu viert ein Taxi und wie wir einstimmig feststellten, war unserer jugendlicher Taxifahrer definitiv auf Drogen. Eventuell sind Drogen das einzige Mittel um die Rushhour unbeschadet zu überstehen.
Nachdem wir unsere Motorräder erhalten hatten, stand noch der Abschluß einer Versicherung an. Damit waren unsere Motorräder legal in Kolumbien und bereit zur Weiterfahrt. Den Rest des Tages nutzen wir, um in kleinerer Gruppe das Fort, das Castillo San Felipe de Barajas, welches 1536 gebaut wurde, sowie die Altstadt Cartagenas zu besichtigen.
[Was es über den Verkehr in Kolumbien zu sagen gibt; einfach grauenvoll! Ich weiß, ich schreib das immer wieder, aber ich dachte, dass es irgendwann keine Steigerung mehr gibt. Kolumbien stellt aber alles bisherige in den Schatten. Die Fahrer wechseln die Spur ohne Schulterblick, ohne zu blinken und ohne in den Spiegel zu schauen, drängeln sich, bis kurz vorm Zusammenstoß, in kleinste Lücken, Hupen durchgehend und völlig sinnlos, telefonieren am Steuer, überholen an den unmöglichsten Stellen und ignorieren dabei eiskalt den Gegenverkehr. Die Unfallstatistik von Kolumbien spricht für sich.]
Am folgenden Morgen trennten sich wieder unsere Wege. Ich setzte meine Reise entlang der karibischen Küste nach Santa Marta fort. Santa Marta, 1525 gegründet, ist die älteste Stadt in Kolumbien und die zweitälteste in Südamerika.
Leider fand ich dort nicht, wie erhofft, das karibische Paradies vor, so dass ich mich am nächsten Tag von der karibischen See verabschiedete und den Weg ins Landesinnere antrat.
Was mich auf dieser Tour erwartete, war schwer vorstellbar. So viele LKWs auf einer zweispurigen Strasse und das Ganze auf über 600 Kilometern, hab ich noch nie gesehen. Auf der gesamten Strecke folgte ein LKW dem anderen und eine ungefähr 200 Kilometer lange Baustelle störte immer wieder den Verkehrsfluss. Der aufgewirbelte Dreck verpasste mir eine zweite Schicht und eine Staublunge.
Nach neun Stunden und etwa 400 Überholmanövern änderte ich wegen der einbrechenden Dunkelheit mein Tagesziel. So fuhr ich nach Bucaramanga, die Hauptstadt des Distrikts Santander. Ich war ausgelaugt und hundemüde und froh endlich ein Bett gefunden zu haben.
Um am nächsten Tag nicht wieder über neun Stunden unterwegs zu sein, suchte ich mir das nur 120 Kilometer entfernte Städtchen San Gil als Ziel aus. Auf dem Weg, der ebenfalls von hunderten LKW genutzt wurde, hatte ich wegen der vielen Kurven deutlich mehr Spaß am Fahren, allerdings sah ich leider auch den ersten Toten. Ein junger Mann lag mitten auf der Strasse, zwei Polizisten lotsten lediglich den Verkehr um ihn herum. Es schien als wär es das Normalste der Welt. Der Anblick des jungen Mannes wird mich wohl noch eine Weile verfolgen.
Bei meinem nächsten Raststopp, erzählte ich dem Tankwart davon und er sagte nur, das sei ein tägliche Begebenheit.
San Gil ist eine kleine Stadt, welche besonders wegen diverser Outdooraktivitäten, wie Rafting, Paragliding, Höhlentouren oder Wandern, ein beliebstes Reiseziel ist. Meine einzige Aktivität hieß ausruhen.
Nach einer Nacht und erneuter Planänderung setzte ich meine Fahrt, mit Ziel Bogota fort. Eigentlich wollte ich nach Medellin fahren, hätte aber entweder über 150 Kilometer zurück fahren müssen oder eine etwa 80 Kilometer lange Offroadstrecke, die einzige Verbindung zwischen den beiden nächstgelegenen Hauptverbindungsstrassen, nehmen müssen. Ich habe lange überlegt, Leute über den Zustand der Strasse gefragt und mich letztendlich dagegen entschieden. Mein Motorrad machte mir seit kurzem auch etwas Probleme. Irgend etwas schien nicht zu stimmen. Ein weiterer, der ausschlaggebende Grund, mich nicht in die Wildnis zu stürzen. Wie ich später feststellte, war es die richtige Entscheidung.
Auf dem Weg nach Bogota besuchte ich zwei sehr ursprüngliche Bergdörfer. Wie aus einer anderen Zeit. Barichara und Villa del Leyva. Absolut idyllische Orte inmitten einer wunderschöner Berglandschaft.
Auf der weiteren Fahrt nach Bogota, wurde mir das erste Mal, seit etwa vier Monaten kalt. Bogota liegt auf 2640 Metern und die Temperaturen betrugen nur 18°C.
Die Millionenmetropole, mit ungefähr 7 Millionen Einwohnern, ist verkehrstechnisch eine Herausforderung. Als ich bei einbrechender Dunkelheit in der Stadt ankam, mich verzweifelt durch das Gewirr an Strassen als auch entgegen Einbahnstrassen vorwärts kämpfte und mich vom GPS in falsche Richtungen lotsen ließ, wollte ich am liebsten gleich wieder weg. Zwei Polizisten die mich natürlich sofort dabei ertappten, wie ich gegen die Einbahnstrasse fuhr, lotsten mich, nachdem ich Ihnen sagte wie genervt und verzweifelt ich bin, zu einem Hostal.
Als am nächsten Morgen die Sonne schien und ich den Bezirk la Candelaria erkundete, verschwanden die negativen Eindrücke. Ich habe bis auf dieses Viertel keine Weiteren zu Fuß erkundet, aber das was ich zu sehen bekam, hat mir gefallen.
Der späte Abend wurde von Regenschauern und Nebel begleitet und durchkreuzte meinen Plan, mit der Seilbahn auf den Berg Monserrat zu fahren, um die Stadt aus der Vogelperspektive zu sehen.
Am nächsten verregneten Morgen und bei nur noch 15°C, fuhr ich auch schon weiter nach Medellin. Ich war für 480 Kilometer wieder gute neun Stunden unterwegs, genoß aber die relativ leeren und kurvigen Strassen. Auf dem Weg wollte ich die Hacienda von Pablo Escobar besuchen. Leider wurde auf dem Grundstück ein Vergnügungs- und Wildpark angesiedelt, so dass es sich nicht lohnte, den teuren Eintritt zu bezahlen.
Gegen Abend und bei Regen, kam ich in der nächsten Millionenmetropole an. Der erste Eindruck war deutlich besser, als von Bogota.
Den ersten Tag in Medellin verbrachte ich damit Läden zu suchen, die nicht existierten oder geschlossen waren, mein Motorrad zur Inspektion zu bringen, Wäsche zu waschen und meine Koffer auszuräumen und zu reinigen. Eindringende Feuchtigkeit ließen einiges schimmeln.
Am zweiten Tag stand eine Fahrt mit der Seilbahn über die Dächer der Stadt sowie eine interessante und leidenschaftliche Stadtführung an.
Die Geschichte Medellins ist durchaus beeindruckend, aber aufgrund der jüngsten Vergangenheit etwas irritierend. Durch das Geschäft mit Kokain und den Aktivitäten des Medellin-Kartells war Medellin weltweit und viele Jahre die Stadt mit der höchsten Mordrate. Auftragskiller waren schon für 10 USD zu bekommen und warteten auf der Strasse auf Ihren nächsten Auftrag.
Ein Spruch eines der ersten Drogenbarone Kolumbiens, mit dem er sein Handeln rechtfertigte: „Unser Ziel ist antiimperialistisch und antioligarchisch. Dank dem Koka wäre die lateinamerikanische Revolution möglich, denn ich glaube, dass Koka die Atombombe Lateinamerikas ist. Die Yankees nehmen unsere Reichtümer weg. Gold, Smaragde, Erdöl, Kaffee, Bananen. Wir holen uns nur die Dollars zurück, die uns Kolumbianern gehören. Und es ist unsere Sache, was wir damit machen.“
Wir waren mitten im Zentrum von Medellin unterwegs, wo man sich vor sieben Jahren nicht mal ansatzweise hingetraut hätte. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wäre man ausgeraubt, vergewaltigt oder ermordet worden. Mittlerweile hat sich die Situation grundlegend verändert. Der Staat investiert viel Geld in die Infrastruktur und Bildung, besonders in den eher armen Vororten und Vierteln in Medellin und diese Maßnahmen tragen Früchte. Trotzdem sollte man vorsichtig sein und wissen, welche Viertel zu meiden sind. Das größte, allgegenwärtige Problem ist Diebstahl.
Wer die “Regla de Papaya” befolgt wird davon mit ziemlicher Sicherheit verschont bleiben.
Sie besagt, dass wenn man eine schöne, große, reife Papaya besitzt und sie vor den Augen anderer schält und schneidet und sie voller Freude vor sich auf einem Teller trägt, dann wird sich, früher oder später, der Erste ein Stück davon nehmen. Das geht soweit, bis die leckere Papaya aufgegessen ist und man selbst nichts mehr davon hat. In der Realität ist die Papaya repräsentativ für Kameras, Bargeld, Rucksäcke, Laptops. Wer die Sachen zur Schau stellt und dabei die Sicherheit vernachlässigt, wird das Nachsehen haben.
Als ich am Abend ins Hostal kam warteten schon zwei Emails vom BMW Service auf mich, und wie befürchtet standen einige Reparaturen an. Ein Kugellager sowie die Kardanwelle mussten ausgetauscht werden. Die viele Feuchtigkeit sowie der Schmutz der Strassen haben meinem Motorrad, trotz regelmäßiger Reinigungen, etwas zugesetzt. Das bedeutete, ich musste meinen Aufenthalt in Medellin unfreiwillig verlängern. Der Service, auch wenn ich mir das Ganze lieber erspart hätte, war ausgezeichnet und schnell. Mein Motorrad wurde mir in reparierten und perfekt geputzten Zustand übergeben.
Jetzt stand der Weiterfahrt nichts mehr im Weg und so machte ich mich am folgenden Tag und erneut bei Nieselregen auf nach Cali.
Für 470 Kilometer war ich wieder gute neun Stunden unterwegs. Dank der abwechslungsreichen Landschaft und der vielen Kurven verging die Zeit wie im Flug. Im kleinen Bergdorf Salento aß ich die für die Region typische Mahlzeit Bandera Paisa und sammelte neue Energie für die verbleibenden 220 Kilometer.
Gestärkt war ich bereit für die Einfahrt in eine weitere Millionenstadt und erneut wurde die Suche nach meinem Hostal als auch die Rushhour zur Geduldsprobe. Der Verkehr ist eine kranke Angelegenheit. Ich kann froh sein, mich mit dem Motorrad überall durchzwängen zu können, aber die Strassen sind so voll, dass Zusammenstöße kaum zu vermeiden sind. So sah ich auch mitten auf der Hauptstrasse einen Pulk an Menschen, die um einen offensichtlich schwerverletzten Motorradfahrer standen. Nach über einer halben Stunde im Gedränge des Verkehrs, erreichte ich endlich meine Bleibe für die kommende Nacht.
Der nächste Morgen begann für mich, wie für dutzende “Models” aus Cali mit der Besteigung des “cerro de las tres cruces”.
http://www.welt.de/vermischtes/article121259406/Kult-um-den-Po-in-der-Stadt-der-strammen-Hintern.html
[wpvideo RL7vKQLt]
Ist ja klar, das man sich den Ausblick nicht entgehen lassen sollte. Nach bestandener Klettertour setzte ich meine Reise nach Popayan, fort.
Der Aufenthalt in Kolumbien ging schon dem Ende entgegen und so genoss ich den Nachmittag im historischen Zentrum Popayans, bevor ich mich zur letzten Station Ipiales, nahe der Grenze zu Ecuador, aufmachte.
Von Popayan waren es nur 330 Kilometer. Da die Strecke über die traumhaften und kurvenreichen Berge der Departments Cauca und Nariño führte, dauerte es gute sechs Stunden. An einer Baustelle traf ich Jonathan aus Holland. Er ist auch mit dem Motorrad unterwegs und so fuhren wir zusammen nach Ipiales. Nach sechs Stunden höchster Konzentration, unzähligen Überholmanövern und tausenden Höhenmetern kamen wir endlich am Ziel an.
Letzter Stop, vor dem Grenzübergang nach Ecuador, war das “Santuario de la Virgen del Rosario de Las Lajas” in Ipiales. Ein mächtiges Bauwerk und ein krönender Abschluß in Kolumbien.
Fazit Kolumbien:
- Reisedauer: 16 Tage
- gefahrene Kilometer: 2973
- Durchschnittsgeschwindigkeit: 54,2 km/h
- Durchschnittsverbrauch: 5,6l
- Höchstgeschwindigkeit: 157 km/h
- Roadkills:
gesehen: 3x Hund, 1x Katze, 3x Opossum, 5x Vogel, 5x undefinierbar, 1x RIP
verursacht: 0x - Unfälle gesehen: 3x Überschlag, 4x Auffahrunfall, 1x schwerverletzter Motorradfahrer in Rushhour in Cali
- Polizeikontrollen: 0x (!!!)
- Strafzettel bekommen: 0x
- schönste Strecken: Barichara – Villa de Leyva; Bogota – Medellin; Popayan – Ipiales
- Highlight: den Verkehr unbeschadet überstanden zu haben
Kolumbien ist ein beeindruckendes, großflächiges und wunderschönes Land. Wenn man sich die Vergangenheit Kolumbiens vor Augen hält und sieht, zu welcher Normalität das Land gekommen ist, ist das beeindruckend. Es wird viel für den Tourismus und die Sicherheit der Touristen getan. Es gibt hier neben der Polizei, die überall präsent ist, viel Militär und Checkpoints beider Parteien. Erstaunlicherweise wurde ich kein einziges Mal angehalten und kontrolliert.
Im gesamten Land sah ich nur zweimal Radarkontrollen, beide Male glücklicherweise auf der anderen Fahrspur. In den Großstädten gibt es stationäre Blitzer. Der Verkehr funktioniert weitestgehend auch ohne Regeln, wobei es den Kolumbianern sehr zu empfehlen wäre wenigstens einige zu respektieren. Ich habe schon erfahren, dass Ecuador noch schlimmer sein soll.
Nachdem ich mich in Zentralamerika meist nur über relativ kurze Entfernungen fortbewegte, stand in Kolumbien genau das Gegenteil an. Viele Touristen sind in Kolumbien mit dem Flugzeug unterwegs, da Fliegen im Vergleich zu Busfahrten deutlich kürzer, sicherer und fast genauso teuer ist. Für mich war es eine wahre Freude die Berge Kolumbiens und die faszinierenden Landschaften zu durchqueren. Teilweise ging es auf über 3000 Meter, inklusive deutlicher Temperaturunterschiede.
Kolumbien ist nicht mehr das, wie man es aus den Nachrichten kennt, ein Land voller Kriminalität und Drogen. Dass Probleme diesbezüglich bestehen, ist nicht zu leugnen, aber das Land hat sich verändert und öffnet sich mehr und mehr für den Tourismus. Die Freundlichkeit der Menschen bestätigt meine Auffassung.